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Der Aggressor: Selbst- und Fremdwahrnehmung eines Akteurs zwischen den Nationen

 
 

Alle europäischen Nationen definieren ihren Charakter und ihre Eigenständigkeit über die Auseinandersetzung mit historischen Aggressoren. Da diese in Nachbarländern oft als militärische Helden verehrt werden, steckt in solchen Geschichtsbildern seit jeher ein großes Konfliktpotential. Ein Konsortium, das interdisziplinär und mit einer gesamteuropäischen Perspektive arbeitet, analysiert die Deutungen fremder und landeseigener Aggressoren.

In fast allen Ländern Europas bleibt der vergangenheitspolitische Fokus auf auswärtige Aggressoren und die Opfer der eigenen Nation gerichtet. Dabei wird häufig jene Gewalt ausgeblendet, die ein Aggressor aus dem eigenen Staat anderen Völkern angetan hat. Selbst in Deutschland war die Verantwortung für Völkerkrieg und -mord nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 nicht umgehend ein gängiges Grundnarrativ.

Noch deutlich später drang die Kriegsführung im Ersten Weltkrieg oder der Umgang mit Kolonien ins allgemeine Bewusstsein. Paradigmatisch für Europa sind auch die unterschiedlichen Interpretationen der napoleonischen Kriege: Im Jahr 2015 verhinderte Frankreich, dass belgische Gedenkmünzen zur Erinnerung an die Schlacht bei Waterloo geprägt wurden, die für andere Völker einen wichtigen Teil der Befreiungskriege darstellt. Ziel des Förderprojekts ist es, das Nachwirken und die aktuelle Präsentation zentraler historischer Akteure in Europa in ihrer bi- und multilateralen Wahrnehmung zu untersuchen.

Wie werden eigene und fremde Aggressoren heutzutage gedeutet und wie prägt dies nationale Vorstellungen? Ein Fokus des breit gefassten Forschungsprojekts richtet sich auf herausragende und umstrittene Einzelpersonen wie Ludwig XIV., Otto von Bismarck, Josef Stalin oder Slobodan Milošević. Anhand der Figur des Aggressors sollen unterschiedliche Geschichtswahrnehmungen innerhalb Europas aufgearbeitet werden. Ein fünfköpfiges Konsortium leitet das Projekt, an dem 20 Senior Scholars aus europäischen Ländern beteiligt sind und das rund zehn Nachwuchswissenschaftler als Postdoktoranden bzw. Doktoranden finanziert.

Der Vergleich konkurrierender Geschichtsbilder soll mit Blick auf die aktuelle Historiografie der betroffenen Länder erfolgen. Diesen Forschungsstand vergleichen die Wissenschaftler dann mit populären Narrativen in Schulbüchern, Museen, Filmen, Musik, Comics oder Gaming. Außerdem soll das Ladenburger Kolleg die Voraussetzungen für ein Computerspiel schaffen, das bei den Nutzern anhand der Figur eines Aggressors national geprägte Konfliktpotenziale deutlich machen und diese zugleich entschärfen soll.

Wissenschaftliche Leitung
  • Prof. Dr. Thomas Maissen (Sprecher), Universität Heidelberg
  • Prof. Dr. Stefan Berger, Ruhr-Universität Bochum
  • Prof. Dr. Diana Mishkova, Centre for Advanced Study, Sofia (Bulgarien)
  • Prof. Dr. Ilaria Porciani, Bologna University (Italien)
  • PD Dr. Ivan Sablin, Universität Heidelberg und Institute of Contemporary History (Slowenien)
  • Prof. Dr. Balázs Trencsényi, Universität Budapest, Central European University Democracy Institute, Budapest (Ungarn)
 
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