Martin Reuter
Universität Bonn
In einem von der Stiftung geförderten Forschungsprojekt untersuchen Wissenschaftler mit Methoden der virtuellen Realität die grundlegenden Unterschiede zwischen Angst und Furcht. Ziel ist es, differenzierte biologische Erkenntnisse über diese beiden Primäremotionen zu gewinnen und therapeutische Maßnahmen für die Behandlung von Angststörungen, Panikattacken und Phobien abzuleiten. Das Projekt „Experimentelle Differenzierung von Angst und Furcht in einer Virtual Reality-Umgebung“ wird von Prof. Dr. Martin Reuter vom Institut für Psychologie der Universität Bonn geleitet.
Sich ängstigen, etwas Furchterregendes erleben, Prüfungsangst haben – jeder von uns kennt und nutzt diese Begriffe. Dennoch sind nur Wenige in der Lage, den Unterschied zwischen Angst und Furcht genau zu definieren. Selbst in der wissenschaftlichen Emotionsforschung werden die Begriffe mitunter synonym verwendet. Klar ist, dass Angst und Furcht in der Konfrontation mit negativen Reizen und Umweltbedingungen entstehen. Fliehen Menschen oder Tiere vor einer bedrohlichen Situation, sprechen Psychologen von Furcht. Wenn man in einer unangenehmen Situation, etwa einer anstehenden Prüfung, jedoch Angst verspürt, wird man sich dieser in der Regel trotzdem aussetzen. Die Emotion Angst lässt sich medikamentös beeinflussen, Furcht hingegen nicht. Aus evolutionärer Sicht scheint letztere für das Überleben der Spezies relevanter zu sein. Denn die Emotion Furcht ist nicht unterdrückbar; sie kann zu drei abgestuften Verhaltensalternativen führen: Flucht, Verteidigung, Totstellreflex.
Im Projekt „Experimentelle Differenzierung von Angst und Furcht in einer Virtual Reality-Umgebung“ erforschen Wissenschaftler der Universität Bonn und der Technischen Hochschule Köln auf empirischen Weg den Unterschied zwischen Angst und Furcht beim Menschen. Zur Datenerhebung versetzen sie Testpersonen in realistisch wirkende Virtual Reality (VR)-Szenarien, um deren Reaktionen zu erfassen. Die Probanden bewegen sich dafür virtuell in einem unterirdischen, bedrohlich wirkenden Labor mit vermummten Wissenschaftlern und patrouillierenden Überwachungsdrohnen, in dem unheimliche Versuche durchgeführt werden.
Die düsteren VR-Szenarien bergen Konflikte, sie stimulieren dadurch insbesondere die Angst der Probanden. Gleichzeitig werden gezielt auch die mit Furcht assoziierten Verhaltensweisen – kämpfen, fliehen und sich totstellen – ausgelöst. Eine besondere wissenschaftliche Herausforderung stellen dabei die Definition und Messung der individuellen Unterschiede dar, wie Menschen auf Angst und Furcht ansprechen, bzw. wie diese in die virtuelle Welt implementiert werden können. Gemessen werden dann beispielsweise die Dauer bis zu einer Reaktion sowie die Art und Weise der gewählten Handlung der Testpersonen.
Die Forscher gleichen die Ergebnisse mit genetischen Markern und Persönlichkeitsdaten der Probanden ab. Im Verlauf des dreijährigen Förderprojekts wollen sie klären, ob sich mithilfe der VR-Daten die Unterschiede bezüglich der jeweiligen Persönlichkeitsmerkmale bei Angst und Furcht validieren lassen und ob sich das Verhalten der Testpersonen vorhersagen lässt. Auf dieser Basis sollen neue Erkenntnisse für die Behandlung von Angststörungen, Panikattacken und Phobien gewonnen werden – die beiden letztgenannten Störungen werden der Emotion Furcht zugeschrieben. Mittels virtueller Realität können zudem therapeutische Expositionstherapien durchgeführt und angstmindernde Medikamente auf ihre Effektivität hin erprobt werden.