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Neuroroboter – Über künstliche Dummheit und natürliche Intelligenz

 

Es genügte, die Grundregeln einzuprogrammieren: Das Programm AlphaGo spielte so lange Schach bzw. Go gegen sich selbst, bis es in der Lage war, alle menschlichen und elektronischen Gegner souverän aus dem Feld zu schlagen. „So lange“ heißt: Nach zwölf Stunden war das selbstlernende Programm in beiden Brettspielen unbesiegbar. „Dass KI, also künstliche Intelligenz, die Weltherrschaft übernimmt, davor sollten Sie sich in absehbarer Zeit allerdings nicht fürchten“, stellte PD Dr. Florian Röhrbein fest. „Drehen wir nur ein wenig an der Aufgabenstellung: Statt Schach zu spielen, soll das Programm nun Tiere in Bildern erkennen. Es scheitert kläglich und bleibt unseren auf Mustererkennung spezialisierten Gehirnen hoffnungslos unterlegen.“

Röhrbein ist nicht nur promovierter Informatiker, sondern studierte auch Psychologie und Philosophie und analysiert neben den technischen insbesondere auch die ethischen Auswirkungen der KI-Revolution auf unsere Gesellschaft. Ein Denkfehler sei es, den Begriff der Intelligenz nur auf das Gehirn zu reduzieren, so Röhrbein. „Ein Gehirn für sich genommen, ist nicht intelligent – es geht immer zugleich auch um Verhalten und Wirksamkeit, um den Körper, um die Interaktion mit der Umwelt.“ Hier stoßen heutige Programme rasch an ihre Grenzen. Zwar könnten sie gigantische Datenmengen in kurzer Zeit analysieren, aber selbst einfache motorische Abläufe zu steuern oder Strukturen zu erkennen, sei ihnen oft unmöglich. Biologische Systeme aus Nerven und Synapsen sind so ausgelegt, dass sie selbst eine Verletzung und teilweise Beschädigungen ausgleichen können. „Bei einem herkömmlichen Computer ist es hingegen so, dass, wenn nur ein Kabel durchtrennt wird, das ganze System irreparabel geschädigt sein kann.“

Vielversprechend sei deshalb der neuartige Forschungsansatz, Computer nach dem Modell lebender Organismen zu entwerfen. „Das heißt, wir analysieren die Interaktion und Organisation von Nervenzellen etwa bei Schnecken, Fröschen oder Mäusen und versuchen, die dabei gewonnenen Erkenntnisse auf die Algorithmen eines Computernetzwerks zu übertragen.“ Einen großen Sprung nach vorne bedeutete die Einrichtung des „Human Brain Projects“ durch die Europäische Union, an dem sich über 100 Forschungseinrichtungen beteiligen und das mit rund 1,2 Milliarden Euro über zehn Jahre hinweg gefördert wird. „Mittlerweile sind wir bereits an einem Punkt angelangt, wo wir im Computer neuronale Netze in der Größe eines Mäusegehirns simulieren können. Das ist ein gewaltiger Fortschritt, denn damit sind wir nur noch um etwa den Faktor 1.000 vom menschlichen Gehirn entfernt. Das heißt, auch diese Größenordnung ist für uns jetzt in Reichweite.“

Neuroroboter nach dem Vorbild der Natur würden sich in Zukunft ganz wesentlich von ihren heutigen Silizium-Verwandten unterscheiden. Bei ihnen stehe nicht länger die blindwütige Durchforstung reiner Datenmengen im Vordergrund, sondern sie seien in der Lage, Situationen zu analysieren, aus ihnen zu lernen und motorisch hochgradig autonom mit ihrer Umwelt zu interagieren. Sollte so etwas wie „Maschinenbewusstsein“ entstehen, so die Einschätzung einiger Computerwissenschaftler, wäre dies wahrscheinlich bei solchen biomorphen und bioinspirierten Robotern der Fall.

In der anschließenden Diskussion äußerten sich einige Besucher besorgt über die rasante Entwicklung der aktuellen Computertechnologie, sei es im militärischen Bereich oder wegen der drohenden Verdrängung vieler Menschen aus ihren angestammten Arbeitsplätzen. „Eine Prognose ist in der Tat schwierig“, entgegnete Röhrbein. „Aber zumindest was den Arbeitsmarkt angeht, möchte ich nicht schwarzmalen, sondern habe die begründete Hoffnung, dass hier auch viele neue Jobs entstehen. Ansonsten denke ich, dass wir uns ein wenig vor den falschen Technologien fürchten. Vor allem die KI, die in den smarten Geräten steckt, die wir immer bei uns in der Hosentasche haben, die weiß, wo wir uns aufhalten, mit wem wir sprechen, was wir kaufen und für was wir uns interessieren – die sollten wir kritisch auf dem Radar behalten.“

Referent
Dr. Florian Röhrbein promovierte an der TU München im Fach Informatik, als Nebenfächer studierte er Psychologie und Philosophie. Forschungsaufenthalte führten ihn u.a. nach England an die University of Liverpool sowie an die Yeshiva University in den USA, wo er als Postdoktorand am Neural Computation Lab arbeitete. Für seine wissenschaftliche Arbeit erhielt er zahlreiche Stipendien und Preise, seit 2011 ist er als Privatdozent am Lehrstuhl für Echtzeitsysteme und Robotik an der TU München tätig und ist Herausgeber der Zeitschrift „Frontiers in Neurorobotics“.
 

Dialog im Museum
22. Februar 2018
Mercedes-Benz Museum
70372 Stuttgart

Referent:
Dr. Florian Röhrbein
Lehrstuhl für Echtzeitsysteme und Robotik der TU München