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Forschungsprojekt zur Gewaltprävention in Tansania: Kinder vor Gewalt durch Lehrer schützen

 
 

Körperliche Bestrafung oder Züchtigung ist in Schulen in Deutschland seit mehreren Jahrzehnten gesetzlich verboten (seit 1949 in der ehemaligen DDR bzw. seit 1973 in der BRD). In vielen Ländern weltweit ist dies jedoch bis heute anders. Zum Beispiel ist körperliche Züchtigung in der Schule in einigen Bundestaaten der USA bis heute erlaubt. Besonders in Südost-Asien und Afrika gibt es viele Länder, in denen körperliche Bestrafung in der Schule sowohl gesetzlich erlaubt als auch gesellschaftlich akzeptiert ist. Daher ist es auch nicht überraschend, dass die Prävalenz von körperlicher und emotionaler Misshandlung durch Lehrer in diesen Regionen der Welt am höchsten ist. Dr. Tobias Hecker, ehemaliger Stipendiat der Daimler und Benz Stiftung, hat dies während seines Zivildiensts an einer Grundschule in Tansania selbst mehr als einmal miterlebt. Er war dort auch für die Behandlung kleiner Verletzungen zuständig und musste immer wieder Kinder versorgen, nachdem sie von Lehrern verprügelt worden waren. „Ein Schlüsselmoment war, als ein Lehrer einen Schüler an den Ohren hochzog und ich beobachtete wie das eine Ohr einriss. Seitdem beschäftigt mich die Frage: Was macht Gewalt mit Kindern und wie kann man Kinder vor Gewalt schützen?“, erläutert Hecker. Genau dieser Frage widmet er sich als Psychologe seit einigen Jahren wissenschaftlich.

Denn eine gewaltfreie Erziehung ist ein Kinderrecht, das in den Kinderrechtskonventionen der Vereinten Nationen verankert ist. Gleichzeitig wird Gewalt in der Erziehung im Allgemeinen und körperliche Bestrafung in der Schule im Speziellen mit einer Reihe von negativen Folgen in Verbindung gebracht, die von Schulangst bzw. –Verweigerung über verminderte Schulleistung bis hin zu psychischen Problemen reichen. Hecker gründete ein Netzwerk junger deutscher und afrikanischer Wissenschaftler, was es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Folgen von Gewalt zu untersuchen und evidenz-basierte Interventionen zu entwickeln, die Kinder effektiv und nachhaltig vor Gewalt in der Erziehung schützen. Dazu entwickelten die jungen Wissenschaftler den Interventionsansatz „Interaction Compentencies with Children (ICC)“.

In den ersten Studien zur Wirksamkeit des Programms an insgesamt neun weiterführenden Schulen in Tansania zeigte sich, dass die Lehrer einen hohen Bedarf an solchen Trainingsprogrammen sahen und hoch motiviert waren teilzunehmen. Am Ende des Programms waren sie sehr zufrieden mit der Durchführung. Drei Monate nach dem Programm berichteten die Lehrer, die an dem Programm teilgenommen hatten, im Vergleich zu Lehrern, die nicht am Programm teilgenommen hatten, weniger positive Einstellungen zu Gewalt und dass sie weniger emotionale und physische Gewalt anwenden würden. Ein Vergleich der Berichte von Schülern an den Schulen, an denen alle Lehrer am Trainingsprogramm teilnahmen, mit Berichten von Schülern aus Schulen, an denen die Lehrer nicht am Trainingsprogramm teilnahmen, bestätigen die Berichte und Einschätzungen der Lehrer. Die Wirksamkeit des Programms wird auch an weiterführenden Schulen im Nachbarland Uganda überprüft.

Im Forschungsprojekt, das durch die Daimler und Benz Stiftung gefördert wurde, wollten Hecker und sein Team die Wirksamkeit des ICC-Programms erstmals in Grundschulen überprüfen. Hierzu führten sie eine Studie an 12 Grundschulen in Tansania durch. In Tansania besuchen Kinder die Grundschule von der 1. bis zur 7. Klasse. Von April bis Oktober 2019 wurden dazu zunächst über 900 Schüler und Schülerinnen im Alter zwischen 10 und 12 Jahren zu ihren Gewalterfahrungen befragt. Gleichzeitig wurden alle Lehrer und Lehrerinnen an den Schulen zu ihren Einstellungen zu Gewalt und den eingesetzten Disziplinierungsstrategien befragt. Die Studie konnte dazu beitragen, weitere Belege zu finden, dass das Interventionsprogramm Kinder vor Gewalt schützen kann. Der Ansatz soll auch in weiteren Ländern getestet werden. „Unsere langfristigen Ziele sind, politisch Verantwortliche von den Vorteilen einer gewaltfreien Schule zu überzeugen, das Trainingsprogramm flächendeckend durchzuführen und es bereits in die Lehrerausbildung zu integrieren", so Hecker.

Weitere Informationen
  • Dr. Tobias Hecker, Universität Bielefeld, Arbeitseinheit Klinische Psychologie und Psychotherapie
 

© Tobias Hecker